Daten und Vorgehen

Für die Untersuchung suchten wir uns ein russisches Lebensmittelgeschäft in Wien aus, welches wir vor Ort besichtigen wollten. Bei der Beobachtung vor Ort ging es vor allem darum zu beobachten:


  • von wem das Geschäft besucht wird,
  • wie die Besucher:innen beziehungsweise die Mitarbeiter:innen miteinander interagieren
  • und mit welchen Mitteln ein Heimatgefühl/die russische Identität erzeugt wird.

Um einen Vergleich ziehen zu können beziehungsweise mehr Daten gewinnen zu können, entschieden wir uns dafür, noch ein zweites Geschäft zu besuchen, welches ebenfalls russische Lebensmittel verkauft.

Die Vorgehensweise während der Beobachtung unterschied sich jedoch etwas im zweiten Geschäft von der ersten Lokalität, da von uns das direkte Gespräch gesucht wurde – im ersten Geschäft wurde nur beobachtet. 

Zur Erfassung der Daten machten wir uns Notizen, was uns auffiel und machten zusätzlich Fotos vom Geschäft und den angebotenen Produkten/Lebensmitteln, mit Genehmigung.


Forschungsergebnisse


Beobachtungen im Geschäft 1:

Das erste Geschäft befindet sich im 15. Bezirk in Wien (Rudolfsheim-Fünfhaus) – ein Bezirk, der zwar keine große Dichte an Russ:innen hat, aber den höchsten Migrationsanteil in Wien aufweist (vgl. Österreichischer Integrationsfonds, 2020). Dadurch könnte das Geschäft auch für andere slawische Minderheiten von Interesse sein, beispielsweise aufgrund von Ähnlichkeiten in Sprache und Kultur.

Generell wurden Produkte angeboten, die man im alltäglichen Leben benötigt, wie zum Beispiel:

  • Lebensmittel wie z.B. Buchweizen, Süßigkeiten (zum Abwiegen), Fischprodukte, große Auswahl an Teesorten etc. -> generell russische Exportartikel
  • diverse Hygieneartikel, wie z.B. Haarfarben
  • Spielzeug
  • (Kinder-)Bücher
Produkte
Produkte

Prinzipiell könnte der gesamte Einkauf in diesem Geschäft erledigt werden, wodurch die eigene Community unterstützt wird bzw. man im Umfeld der Community bleibt. Ein Heimatgefühl lässt sich bezüglich der Produktauswahl damit erzeugen, dass in den regulären Lebensmittelgeschäften (z.B. Billa oder Spar) in Wien nur eine sehr geringe Anzahl an russischen Produkten angeboten wird und man dadurch an bestimmte Produkte gelangt, zu welchen man einen persönlichen Bezug hat

Auffällig war dabei die große Menge an kulturellen Gegenständen, die im Geschäft ausgestellt wurden. Dekorationen wie eine Vielzahl an Matroschka-Puppen, Teekannen und Vasen gaben die russische Kultur wieder. Allerdings hing im Geschäft keine Russland-Flagge (womöglich zur Vermeidung von Anfeindungen bzgl. Ukraine-Krieg).

Kulturelle Gegenstände
Kulturelle Gegenstände

Eine weitere Auffälligkeit war auch, dass im Schaufenster ein Adventskranz ausgestellt war, obwohl man in Russland Weihnachten nicht am 24. Dezember feiert. Im Gegensatz dazu wurden Glückwunschkarten zum Neujahr und Geschenke (überwiegend Süßwaren/Gebäck) ausschließlich auf Russisch geboten. Man kann also eine Art Verschmelzung von Kulturen erkennen.

Im Geschäft wurde ausschließlich Russisch gesprochen, sowohl die Mitarbeiter:innen als auch die Kund:innen, was eine bestimmte Zielgruppe suggeriert. Begrüßt/Verabschiedet wurde man jedoch auf Deutsch.

Eine große Anzahl der Lebensmittel war zweisprachig beschriftet, vereinzelt auch englische Beschriftungen. Während unseres Besuches lief auch ein Radio auf Russisch. Generell waren jedoch nicht viele Kund:innen vor Ort, während der gesamten Beobachtungszeit. Während eine Kundin bezahlte, unterhielt sie sich ein wenig (auf Russisch) mit der Mitarbeiterin.

Zweisprachige Beschriftung
Zweisprachige Beschriftung

Lediglich die Preisschilder, Öffnungszeiten und Informationen über den Geschäftsinhaber waren rein auf Deutsch. Da es sich dabei um eine offizielle beziehungsweise verpflichtende Information handelt, könnte dies auf eine gesetzliche Regelungen zurückzuführen sein.

Bevor wir das Geschäft besuchten, sahen wir uns Fotos auf Google vom Geschäft an – dabei fiel auf, dass die Werbung auf der Außenwand des Geschäfts entfernt wurde, welche russische Produkte zeigte. Von außen lässt sich also nur noch anhand des Schriftzuges erkennen, dass es sich um ein russisches Geschäft handelt. Es ist jedoch unklar, warum die Werbung entfernt wurde.

Geschäft außen vorher/nachher
Geschäft außen vorher/nachher


Beobachtungen im Geschäft 2:

Das zweite Geschäft befindet sich im 4. Bezirk (Wieden), der hinsichtlich der Bevölkerungsdichte von Russ:innen als ein idealer Standort erscheint – auch für die Nachbarbezirke, in denen Russ:innen ebenfalls vermehrt zu finden sind.

Wie im anderen Geschäft wird auch hier eine Vielfalt an Produkten angeboten, die im Alltag benötigt werden, wie zum Beispiel Lebensmittel oder Medikamente. Daneben waren auch kulturelle Gegenstände (Matroschka-Puppen, Teetassen, Teekannen, etc.) zu finden, jedoch in einem geringeren Ausmaß. Auch hier wird darauf geachtet, die russische Identität mithilfe des Produktangebots und der Dekoration zu vertreten.

Kulturelle Gegenstände
Kulturelle Gegenstände

Während der Beobachtungen waren drei Kund:innen sowie zwei Mitarbeiter:innen vor Ort. Untereinander sprachen alle Personen ausschließlich auf Russisch miteinander. Auffällig war dabei, dass eine der Kund:innen mit einer Mitarbeiterin Tee trank, was suggeriert, dass sie sich kennen. Eine Bekanntschaft zwischen den Kund:innen und dem Personal könnte darauf hinweisen, dass das Geschäft nicht nur dem Einkauf dient, sondern auch als Treffpunkt für die russische Community dient.

Die Gespräche drehten sich dabei überwiegend über Oberflächlichkeiten (z.B. Feiertage) und es wurden Fragen zu Produkten gestellt. Während des Aufenthalts wurden außerdem neue Waren geliefert (Caviar), woraufhin die Mitarbeiterin zu Deutsch wechselte, um sich mit dem Lieferanten zu verständigen. Russisch scheint auch hier die dominante Sprache zu sein, während Deutsch nur für "Außenstehende" herangezogen wird.

Im Vergleich zum ersten Geschäft wurde hier das direkte Gespräch gesucht, indem Alena auf Russisch die Mitarbeiterin um Rat fragte, was sie österreichischen Freundinnen schenken könnte. Dabei reagierte die Mitarbeiterin sehr offen auf Alena, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass sie zur russischen Community gezählt wird. 

Im Vergleich zum anderen Geschäft sind die Preisschilder hier weder auf Russisch noch auf Deutsch beschriftet, sondern sind ausschließlich mit einem numerischen Preis bezeichnet. Der Großteil der Produkte ist rein auf Russisch beschriftet, ein kleinerer Teil zweisprachig.

Produktauswahl
Produktauswahl

Von außen ist die russische Bezeichnung des Geschäftes ebenfalls eher schlicht gehalten, jedoch ist das Schild hier eindeutiger, indem es von einer Matroschka-Puppe geziert wird, was üblicherweise mit Russland bzw. mit der russischen Kultur assoziiert wird. Neben dem Namen "Malvina" steht der Schriftzug "Russische Lebensmittel" (jedoch eher kleingedruckt). Im Vergleich zum anderen Geschäft ist es hier offensichtlicher, dass es sich um ein russisches Geschäft handelt.

Geschäft von außen
Geschäft von außen


Fazit

Zusammenfassend können folgende Punkte im Rahmen der Beobachtungen festgehalten werden:

  • Russische Lebensmittelgeschäfte könnten das Heimatgefühl der Russ:innen durch das Angebot spezifischer Produkte unterstützen, die sonst nirgends erhältlich sind sowie die Vermittlung der Kultur innerhalb der Geschäfte mittels Dekoration sowie Radio
  • Die sprachliche Identität wird gefördert, indem in den Geschäften fast ausschließlich Russisch gesprochen wird; mit Außenstehenden, wie z.B. Lieferanten wird Deutsch gesprochen
  • Russische Lebensmittelgeschäfte können als Community-Treffpunkt fungieren, indem man Einkaufen und Sozialisierung miteinander kombiniert und damit die Gemeinschaft unterstützt
  • Beide Geschäfte sind sich sehr ähnlich, jedoch konnte im zweiten Geschäft mehr Interaktion beobachtet werden, was auf den Standort oder Beobachtungszeitpunkt zurückzuführen sein könnte
  • Forschung müsste allerdings mittels längerer Beobachtung und/oder Interviews vertieft werden, um mehr über die Community der Russ:innen in Wien und deren Identität herauszufinden


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